Und wieder eine Pferderechtsentscheidung, die sich mit einem angeblichen Sachmangel des Pferdes befassen musste, der nach dem Ablauf der sogenannten Beweislastumkehr (ein halbes Jahr) eingetreten ist. Häufig sind das eben Situationen, bei denen die Reiter/Käufer nach längerer Zeit mit dem Pferd einfach nicht mehr klarkommen. Nach meinem Eindruck sind die überwiegenden Fälle in dieser Konstellation nicht auf einen Sachmangel zurückzuführen. Ein Sachmangel kann natürlich auch innerhalb von 2 Jahren eintreten. Das soll dabei nicht ausgeschlossen werden. Es zeigt aber, dass der Pferdekauf selbst auch eine große Eigenverantwortung des Käufers mit sich zieht. Die Beweislast trägt dann der Käufer, der beweisen muss, dass der gerügte Mangel schon zum Zeitpunkt des Kaufs vorgelegen hat. Das macht das Ganze einfach deutlich schwieriger, denn die Hürde, den Beweis zum Vorliegen eines Sachmangels zu führen, ist sehr hoch gelegt.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main entspricht der gängigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ist in sich nachvollziehbar und zutreffend. Die Entscheidung ist instruktiv: „Bloße Widersetzlichkeiten („Rittigkeitsmängel“) stellen daher regelmäßig keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit dar“ stellt das Gericht zutreffend klar. Hier ist die Pressemitteilung (Quelle Pressemitteilung Nr. 61/2021 des OLG Frankfurt am Main vom 27.09.2021):
Nach Übergabe festgestellte Vernarbungen im Maulwinkel eines Pferdes berechtigen allein nicht zur Rückabwicklung des Kaufvertrages
Vernarbungen im Bereich der Maulwinkel sprechen für sich allein nicht für eine chronische Erkrankung. Der Befund kann vielmehr jederzeit aufgrund reiterlicher Einwirkung eintreten und lässt damit keinen Rückschluss auf eine Erkrankung bei Gefahrübergang zu. Das OLG Frankfurt am Main hat deshalb mit Urteil einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Turnierpferd verneint.
Der Beklagte betreibt einen Zucht- und Ausbildungsstall für Reitpferde. Dort kaufte die Klägerin im Januar 2015 einen Hengst für 65.000 €. Sie hatte das ärztlich untersuchte Pferd zuvor besichtigt und reiterlich erprobt. Im April 2015 konsultierte die Klägerin eine Tierärztin wegen Problemen mit der so genannten Anlehnung des Hengstes beim Beritt. Diese diagnostizierte einen offenen rechten Maulwinkel sowie ein Überbein der linken Lade. Zwei Jahre später brachte die Klägerin das Pferd dem Beklagten in Kommission zurück. Im Oktober 2017 trat sie vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin behauptet, das Pferd habe bereits bei Übergabe ein Überbein der Lade sowie Vernarbungen in der Mundhöhle gehabt. Diese Vorerkrankungen seien der Grund für die Probleme bei der Anlehnung. Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe nicht mangelhaft gewesen, bestätigte das OLG. Die Parteien hätten keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung etwa hinsichtlich der „Rittigkeit“ oder der Geeignetheit für eine bestimmte Turnierklasse vereinbart. Schriftlich läge keine entsprechende Vereinbarung vor. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte das Pferd mit sportlichen Perspektiven angepriesen habe, lasse sich nicht ableiten, dass er die Gewähr dafür übernehmen wollte, dass sich diese Perspektiven realisieren. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Entwicklungsprognosen beim lebendigen Tier unsicher und letztlich spekulativ sind und der Verkäufer ohne ausdrückliche Absprache hierfür keine Gewähr übernimmt“, begründete das OLG.
Es sei auch nicht feststellbar, dass sich das Pferd bei Gefahrübergang für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet habe. Das Pferd sei ein Dressurpferd gewesen und sollte bei Turnieren zum Einsatz kommen. Weitergehende Absprachen seien nicht getroffen worden. Der Verkäufer habe deshalb – lediglich – dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank sei bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig erkranke. Unter einem krankhaften Zustand sei eine „klinische Erscheinung“ zu verstehen. Nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehöre dagegen, „dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht“, führte das OLG aus. Tiere unterlägen als Lebewesen einer ständigen Entwicklung und seien mit individuellen Anlagen ausgestattet. „Bloße Widersetzlichkeiten („Rittigkeitsmängel“) stellen daher regelmäßig keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit dar“, vertieft das OLG. Das Pferd sei hier weder krank noch aus anderen Gründen als Reit- und Dressurpferd schlechthin ungeeignet gewesen. Probleme mit der Anlehnung des Pferdes allein stellten keinen Mangel dar, da sie auch auf natürlichen Ursachen beruhen könnten.
Die später festgestellten Befunde in Form offener Mundwinkel, knöcherner Veränderungen an der linken Lade und einer Hautläsion im Bereich des Unterkiefers könnten zwar als Mangelerscheinungen angesehen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei jedoch davon auszugehen, dass diese Umstände noch nicht zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden gewesen seien. Das Tier sei am Tag der Übergabe untersucht worden, ohne dass die nunmehrigen Befunde festgestellt wurden. Zudem habe die Klägerin selbst noch mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss dem Beklagten gegenüber mitgeteilt, dass sich das Pferd in Topform befinde.
Aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung im Pferderecht und meiner ausgewiesenen Fachkompetenz helfe ich Ihnen als Rechtsanwalt gerne weiter. Denken Sie daran: Wer nicht kämpft hat schon verloren!