Die Meldung, dass der Übertragungstzeitraum für den Urlaub nun doch zeitlich beschränkt ist, ging durch die Medien wie ein Lauffeuer. Dabei entstand der Eindruck, der Europäische Gerichtsof (EuGH) hätte generell für alle betroffenen Arbeitsverhältnisse entschieden, dass dieser Übertragungszeitraum auf 15 Monate nach dem Ablauf des Jahres in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, beschränkt worden wäre. Dem ist aber nicht so! Der EuGH hat in einem Fall so entschieden: Dort fand auch ein Tarifvertrag Anwendung, der selbst eine solche konkrete Regelung vorschrieb.
Die Möglichkeit einer zeitlich unbegrenzten Ansammlung von Urlaubs- beziehungsweise Abgeltungsansprüchen zu erfüllen, steht dem mit der Arbeitszeitgestaltungsrichtlinie 2003/88/EG verfolgten Erholungszweck entgegen. Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofes Verica Trstenjak stellte dies schon Mitte diesen Jahres am 07.07.2011 klar: Die bezweckte Erholung werde nicht erreicht, wenn der Urlaub erst Jahre später genommen wird. Eine Verdoppelung oder sogar Verdreifachung der Mindesturlaubszeit aufgrund über mehrere Jahre hinweg angesammelter Urlaubsansprüche steigere auch nicht die Erholungswirkung. Dabei hatte sie im Auge, dass eine unbergrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen die Arbeitsverhältnisse auch gefährden kann. Denn Arbeitgeber könnten sich aufgrund der damit für sie verbundenen finanziellen Belastung veranlasst sehen, sich möglichst früh von langfristig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern zu trennen. Hinsichtlich des Abgeltungsanspruches betonte sie, dass dieser keinen allgemeinen Abfindungsanspruch oder Geldanspruch darstellt.
Die Generalanwältin sprach sich dafür aus, dass eine Begrenzung des Übertragungszeitraums auf achtzehn Monate, nach deren Ablauf Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers verfallen, mit dem Schutzzweck der Richtlinie vereinbar ist. Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer dann bis zu zweieinhalb Jahre Zeit hätte, seinen Mindesturlaub für ein bestimmtes Urlaubsjahr zu nehmen. Gleichzeitig würde der Arbeitgeber vor einer unbegrenzten Ansammlung von Urlaubsansprüchen und den damit verbundenen finanziellen Belastungen und Schwierigkeiten bei der Arbeitsorganisation geschützt.
Aber auch die 18 Monate stellen nur einen Richtwert darstelle, an dem sich die Mitgliedstaaten bei der innerstaatlichen Umsetzung möglichst orientieren sollten. Mangels EU-rechtlicher Regelung stehe es den Mitgliedsstaaten frei, unter Beachtung der Grenzen der Richtlinie auch andere Regelungen zu erlassen. Eine Übertragungsmöglichkeit von nur sechs Monaten erachtete auch die Generalanwältin aber deutlich zu gering.
Unter diesem Licht muss die Entscheidung des EuGH im Urteil vom 22.11.2011 Az.: C-214/10 gesehen werden. Der EuGH ist in seiner Entscheidung den wesentlichen Argumenten der Generalanwältin gefolgt.
Derzeit gehe ich davon aus, dass sich die Deutschen Arbeitsgerichte in ihren Entscheidungen auf einen Übertragungszeitraum zwischen 15 und 18 Monaten einpendeln werden. Allerdings muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Tarifvertrtag zur Anwendung kommt und ob dieser dann auch noch eine eigenständige Regelung zum Verfall von Urlaubsansprüchen gertroffen hat. Und wenn dies der Fall ist, stellt sich die Frage, ob diese Regelung dann auch noch mit der Arbeitszeitgestaltungsrichtlinie 2003/88/EG vereinbar ist.
Ganz schön kompliziert? – ist es auch 😉
Wichtig ist jedenfalls wieder einmal zu erkennen, dass sich der Kampf ums Recht lohnt! Ihr KA