Zum diesjährigen Urteil vom 10. Mai 2016 – des BGH Az.: VI ZR 247/15 ist anzumerken dass danach Tierärzte künftig leichter für die Folgen grober Behandlungsfehler haftbar gemacht werden können. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Tierärzte in solchen Konflikten grundsätzlich beweisen müssen (Az. VI ZR 247/15) Lege artis behandelt zu haben. Bislang galt diese sogenannte Beweislastumkehr – zu Lasten der Ärzte für die Patientenrechte – nur im Bereich der Humanmedizin.
Was war geschehen und wie urteilten die Bundesrichter:
Im Juli 2010 stellte die Klägerin ihr Pferd dem beklagten Tierarzt wegen einer Verletzung am rechten hinteren Bein zur Behandlung vor. Der Beklagte verschloss die Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert. Die Operation der Fraktur gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Das Pferd hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt hatte.
Das Oberlandesgericht hat den Tierarzt dem Grunde nach verurteilt, der Tierhalterin Schadensersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. Der Tierarzt habe einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen. Er hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Fissur bestand und dazu weitere Untersuchungen vornehmen müssen, die die Fissur bestätigt hätten.
Im Streitfall blieb ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach. Es kam daher darauf an, ob die Tierhalterin – wie es die Regel wäre – oder der Tierarzt die Beweislast hinsichtlich der Kausalität trägt.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, welcher u.a. für die Arzthaftung einschließlich der Haftung des Tierarztes zuständig ist, hat das Urteil des Oberlandesgerichts bestätigt. Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, sind auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten beziehen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung kommt – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist, eine besondere Bedeutung zu. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt hat durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft.
Hier noch eine ganz ähnliche Geschichte: Ein Pferd verletzte sich schwer an einer der vorderen Gliedmaßen. Der Tierarzt wurde geholt. Dieser stellte nach Ultraschall-und Röntgenaufnahmen die Diagnose eines Schadens am so genannten Fesselträger. Das Pferd wurde mit Cortison und schmerzlindernde Mittel gespritzt. Am Bein des Pferdes wurde ein Verband angelegt. Das Pferd sollte 3 Tage Ruhe bekommen. Danach sollte das Pferd für eine Woche geführt werden. Nach dieser Woche, könne man das Pferd auch an der Longe – längere Leine – vorsichtig bewegen. Der Pferdebesitzer folgte der Anweisung des Tierarztes. Er ließ sich sogar deutlich mehr Zeit. Erst nach 3 Wochen unternahm er den Versuch das Pferd an der Longe im Schritt zu führen. Dabei hatte der Pferdebesitzer den Abstand zum Pferd mit etwa 4 Metern gewählt. Das Pferd nutzte die Gelegenheit und machte einen Satz. Daraufhin krachte es laut und das Pferd hatte sich das Bein gebrochen. Am so genannten Fesselbein des Pferdes war der Bruch aufgrund einer Frisur entstanden. Diese Fissur hatte der Tierarzt anhand der von ihm zuvor durchgeführten Erstuntersuchung – Röntgenaufnahmen – nicht erkannt. Vielmehr hatte er die Fehldiagnose gestellt, dass es sich um einen Schaden des Fesselträgers handelte. Diese Fehldiagnose hat letzten Endes dazu geführt, dass das Pferd falsch behandelt wurde und aus der Fissur dann später Beinbruch entstand. Das dramatische an der Sache war, dass der Pferdebesitzer wegen der angeblichen Heilungsaussichten noch über einen Zeitraum von einem Jahr alle tierärztlichen und therapeutischen Möglichkeiten ausschöpfte, um das Leben des Pferdes zu retten. Dies war aber vergebens.
Die Kosten, die der Pferdebesitzer dafür ausgegeben hatte, waren hoch. Der persönlich Verlust – damals nicht messbar!
Das Traurige dabei ist die Tatsache, dass die Entscheidung zur Beweislastumkehr für den Pferdebesitzer viel zu spät kam. Die Ansprüche gegen den Tierarzt sind heute verjährt. Allerdings hatte dieser Pferdebesitzer auch nicht im Sinn, den Tierarzt sofort in Haftung zu nehmen. Das muss man auch nicht immer, manchmal allerdings liest man später, wie der Bundesgerichtshof im Prinzip zur Sache entschieden hat. Hier wären lediglich die Arzthaftpflichtversicherung des Tierarztes in Anspruch genommen worden und der Schaden beim Pferdebesitzer wäre nicht ganz so groß gewesen.
Was lernen wir daraus? Wie so häufig, ist es einerseits notwendig alle Beweismittel zu sichern und andererseits sich umfassenden und zutreffenden Rechtsrat einzuholen, bevor man entscheidet, welchen Weg man gehen möchte um gegebenenfalls Ersatzansprüche gegen den Tierarzt durchzusetzen.
Haben Sie so etwas ähnliches erlebt? Wenn ich Ihnen helfen kann, lassen Sie es mich wissen und rufen Sie mich an! Hier sieht man es wieder: Wer nicht kämpft hat schon verloren!
Ihr KA