Anhand eines Beispiels möchte ich auf die Beurteilung eines Behandlungsfehlers aufmerksam machen.
Was war geschehen?
Ein Pferd wurde einem Tierarzt wegen einer akuten Lahmheit vorgestellt. Der Tierarzt untersuchte das Pferd und stellte die Diagnose, dass das Pferd am Fesselträgerursprung eine geringe Verletzung habe. Er benutzte dazu ein Ultraschallgerät. Die Behandlung dauerte auf Nachfrage des Pferdehalters ca. drei Wochen an. Das Pferd sollte im Schritt geritten bzw. u. U. auch geführt werden. Trotz des Hinweises, dass sich keine Besserung einstellt und das Pferd nach wie vor ein erwärmtes Bein hat, kam der Tierarzt nicht auf die Idee, eine Röntgenaufnahme des betroffenen Beines zu fertigen. Nach ca. drei Wochen wurde das Pferd im Schritt an der Loge bewegt machte einen Satz und brach sich dabei das Fesselbein. Der behandelnde Arzt war sofort zur Stelle und fertigte dann eine Röntgenaufnahme. Dort stellte er die Fissur im Fesselbein fest. Das Bein wurde versorgt. Es erfolgte dann eine Operation in einer Klinik. Die Operation selbst ist erfolgreich verlaufen und der Bruch ist gut verheilt. Das Pferd ist aber nach der Operation an einer Gelenksarthrose erkrankt und kann nicht mehr geritten werden.
Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche Fissur, soweit sie gleich erkannt worden wäre, auch durch eine konservative Heilungsmaßnahme, zu denken wäre an eine Gipsschiene, hätte geheilt werden können. Dann wäre es nicht zu einem solchen Bruch des Fesselbeines gekommen und das Pferd hätte keine Arthrose als Folge der Operation gehabt.
Wie ist das aber rechtlich einzuordnen?
Sicherlich hätte der Tierarzt ohne Probleme eine Röntgenaufnahme fertigen können. Die Frage die sich ein Gericht in solchen Fällen stellt ist, ob ein Tierarzt zum Zeitpunkt, als nur eine Fissur vorhanden war, diese auch hätte erkennen müssen.
Hier gibt es eine ähnlich lautende gerichtliche Entscheidung, die sagt, dass an den Tierarzt zur Erkennung einer solchen Fissur sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Die Fehlinterpretation von Untersuchungsergebnissen könne jedem durchschnittlichen Tierarzt passieren. Das Nichterkennen der Fissur wertete daher das Gericht nicht als einen groben Behandlungsfehler, sondern nur als einen „leichten“ Behandlungsfehler, für den der Tierarzt nicht einzustehen habe, weil der vorzuwerfende Behandlungsfehler für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich wurde. Bei den gerichtlichen Entscheidungen spielt auch immer das so genannte „allgemeine Operationsrisiko“ eine erhebliche Rolle. Hin und ab kommt es in seltenen Fällen sogar vor, dass sich Pferde nach einer erfolgten Operation mit vorangegangener Narkose in der sich daran anschließenden Aufwachphase ein Bein brechen und dann eingeschläfert werden müssen. Dann fällt der Verlust des Pferdes auch unter dem Begriff des allgemeinen Operationsrisikos, welches der Pferdehalter selbst tragen muss. Gleiches muss für eine Arthrose gelten, die als Folge einer Operation eingetreten ist.
Es muss also zwischen dem eingetretenen Schaden und dem vorgenommenen Behandlungsfehler des Tierarztes ein unmittelbarer und kausaler Zusammenhang bestehen, der unmittelbar zum Schaden geführt hat. Erst wenn diese Voraussetzung gegeben ist, liegt auch die Haftung des Tierarztes vor.
Fazit: Anhand dieses Beispielsfalles, kann man schon erkennen, wie genau Sachverhalte geprüft werden müssen, bevor man beginnt einen Tierarzt aufgrund eines Behandlungsfehlers oder gar einer Fehldiagnose zu verklagen. Wichtig ist jedenfalls immer, dass man alle Beweismittel, die während der Behandlung anfallen, sichert. Oft helfen hier Zeugen, Gesprächsnotizen, Rechnungen oder auch Fotografien einschließlich der Übersendung von Ultraschall- und Röntgenaufnahmen und zuletzt das Krankenblatt bzw. der tierärztliche Bericht.
Mein Tipp: Je größer die Verletzung und der Umfang der tierärztlichen Leistung, desto mehr lohnt es sich, die Behandlung des Tierarzt selbst zu dokumentieren.