Alleinerziehender Elternteil nach dem dritten Lebensjahr des Kindes grundsätzlich zu Vollzeittätigkeit verpflichtet, so entscheid der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 15.06.2011 – XII ZR 94/09.
Alleinerziehende Geschiedene müssen nun in der Regel Vollzeit arbeiten, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Ein Anspruch auf Unterhalt gegen den geschiedenen Ehepartner besteht nur, wenn der betreuende Elternteil aufgrund konkreter Umstände nicht in vollem Umfang arbeiten kann. Auch die Betreuung eines Grundschulkindes steht nach Ansicht der Bundesrichter einer Vollzeittätigkeit nicht entgegen, wenn nach der Unterrichtszeit eine Betreuungsmöglichkeit existiert.
Der BGH widersprach einer Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Danach hatte das OLG einer Mutter den Anspruch auf Unterhalt zugesprochen, da das Kind längere Zeit in einer Pflegefamilie gelebt hatte. Dies hat aus Sicht des OLG einen behutsamen Übergang gerechtfertigt, um das Kind und auch die Mutter nicht zu überfordern. Die Mutter sei nur verpflichtet, halbtags zu arbeiten. Das Kind ging zur Grundschule und wurde in einer offenen Ganztagsschule betreut.
BGH stellt nun klar: Der betreuende Elternteil müsse die Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr hinaus darlegen und beweisen. Das Kind könne in einer offenen Ganztagsschule betreut werden. Es sei «nicht ersichtlich, ob es daneben einer persönlichen Betreuung durch die Beklagte (Mutter) bedarf, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit entgegenstehen könnte», so der BGH. Demnach müsste die Mutter genauso viel arbeiten wie der geschiedene Ehemann der das Kind nicht betreut.
Im Klartext bedeutet dass, dass beim Nachehelichen Unterhaltsanspruch oder sog. Scheidungsunterhalt in diesen Fällen die Betreuungssituation in der Familie sehr genau geprüft werden muss. Anhand dieses Prüfungsergebnisses muss im Einzelfall entschieden werden, ob ein solcher Unterhaltsanspruch überhaupt gegeben ist. Die Anforderungen an den Vortrag zu den ganz konkreten Umständen des Einzelfalls sind damit sehr hoch, was die anwaltliche Tätigkeit nicht gerade erleichtert. In dem aktuell entschiedenen Fall des BGH hatte die Gesamtwürdigung der Umstände nicht ergeben, dass der Kindesmutter ein Unterhaltsanspruch zusteht. Es wird also bspw. auf die ganz konkrete psychische als physische Situation im Einzelfall ankommen.