Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben “zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisstreit beweisen entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend zu (“stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute (“stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden.
Darüber kann man sich schon wundern: Denn bspw. vor den Arbeitsgerichten Köln, Düsseldorf und Solingen hört man immer wieder , dass ein Glas nur „voll“ und eben nicht „am vollsten“ sein kann.
Ich halte die Beurteilung der Arbeitsgerichte insofern für zutreffend. Irgendwo, muss sich ja auch ein Maß dafür finden lassen, mit dem die Personalverantwortlichen arbeiten und die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer ihre Leistung einschätzen können.
Die von den Landesarbeitsgerichten zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien, nachdem fast 90 Prozent der untersuchten Zeugnisse die Schlussnote „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen, führen nach der Rechtsansicht des BAG nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungslast-und Beweislast. Ansatzpunkt sei regelmäßig die Note „befriedigend“ als mitteler Note der Zufriedenheitsskala. Begehre der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, so müsse er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im übrigen lasse sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass 9 von 10 Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Gefälligkeitszeugnisse in den Untersuchungen eingegangen seien, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprächen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 S. 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich “wahres“ Zeugnis. Dies umfasse auch die Schlussnote. Ein Zeugnis müsse auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.
Die Realität bei Streitigkeiten um das Arbeitszeugnis ind erster Instanz vor den Arbeitsgerichten sieht aber häufig anders aus: Arbeitsgerichte machen sich in der Regel dafür stark, dass man bei streitigen Auseinandersetzung zu einem Arbeitszeugnis gelangt, welches für den Arbeitnehmer wohlwollend und berufsfördernd ist und vom Arbeitgeber – häufig mit Bedenken – dann auch tatsächlich ausgestellt wird. Meistens werden solche Streitigkeiten, wegen der „lästigen Beweislast“ im Vergleichswege geregelt. Es entstehen wiederum Arbeitszeugnisse die meist die Formulierung beinhalten, dass der Arbeitgeber entweder zur „stets zur Zufriedenheit“ oder zur „vollen Zufriedenheit“ gearbeitet hat. Dies entspricht nach der hiesigen Praxis der Erstellung eines Arbeitszeugnisses mit einer Schule Note „befriedigend“. Allerdings muss ein Arbeitszeugnis immer unter dem Gesamtbild beurteilt werden, dass einerseits in der Leistungs- und andererseits in der Führungsbeurteilung wiedergegeben wird.
Mein Tipp: Man sollte vor Beendigung eines (gekündigten) Arbeitsverhältnisses oder bei einem Wechsel in eine andere Abteilung oder bei einem Betriebsübergang beim Arbeitgeber zumindest ein Zwischenzeugnis anfordern und ihm dabei mitteilen, dass man sich gegebenenfalls wegen der neuen beruflichen Situation auch an anderer Stelle auf dem Arbeitsmarkt bewerben möchte.
Häufig wird man von den Arbeitsgerichten, wie auch bei Abmahnungen, angesprochen, was man denn mit dem Zeugnisstreit wolle, es lohne sich nicht. Davon halte ich nichts. Nicht nur weil ich Anwalt bin, sondern vor allem weil es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig ist einerseits zu wissen, wo sie auf dem Arbeitsmarkt stehen und wie sie vom Arbeitgeber beurteilt werden. Andererseits kann ein Zwischenzeugnis auch Schutzfunktion haben. Man stelle sich nur vor, einige Monate später, kündigt der Arbeitgeber angeblich betriebs oder personenbedingt. Dann kann ein Arbeitgeber durchaus Probleme haben, seine Kündigung substantiiert zu begründen. Es lohnt sich also, auch um ein Arbeitszeugnis zu kämpfen wenn dieses zur Unzufriedenheit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin ausgefallen ist. Die Darlegungs- und Beweislast für eine schelchte Beurteilung obliegt allerdings dem Arbeitgeber.