Muss der zahlende Elternteil in Zukunft immer den vollen Kindesunterhalt auch bei – echt spürbaren – erweiterten Umgang zahlen?

Muss der für seine Kinder zahlende Elternteil in Zukunft immer den vollen Kindesunterhalt auch bei echt spürbaren und damit erweiterten Umgang zahlen? Oder bewegt sich hier tatsächlich etwas zu seinen Gunsten des umfassend betreuenden und barunterhaltspflichtigen Elternteils, der nur den Umgang mit seinem Kind intensiv pflegt? Die aktuelle Düsseldorfer Tabelle ab dem Jahre 2016 sollte auch angewandt und so Veränderungen zu Gunsten von barunterhaltspflichtigen Elternteilen mit besonderem/erweiterten Betreuungsumfang geschaffen werden! Dazu werden aber gerichtliche Entscheidungen notwendig sein- und die kosten bekanntermaßen Mut, Zeit, Geld und Nerven und auch noch obendrein eine gehörige Portion Zuversicht! Hält man sich die Dauer der Prozessführung über zwei Instanzen  – meist etwa 2 bis 3 Jahre – vor Augen, wird klar, warum sich viele Eltern überlegen nicht zu klagen.

Die neue Regelung in den aktuellen Unterhaltsleitlinien des OLG Düsseldorf in Ziff. 12.3 sehen folgendes vor:

„Sind, z. B. bei auswärtiger Unterbringung des Kindes, beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig für den Gesamtbedarf (Berechnung nach Ziff. 13.3). Gleiches gilt bei einem Wechselmodell, wobei die Haftungsanteile wegen der beiderseitigen Betreuungsleistungen um die Hälfte zu kürzen sind.

Bei einem über das übliche Maß hinausgehenden Umgangsrecht können dadurch bedingte hohe Mehraufwendungen (z.B. Fahrt- und Unterbringungskosten) zu einer Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle oder zum Absehen von einer erforderlichen Höherstufung führen.

Reicht das Einkommen des umgangsberechtigten Elternteils nur zur Zahlung des Mindestunterhalts aus, kann der Mehraufwand bei der Einkommensermittlung oder durch Erhöhung des Selbstbehalts berücksichtigt werden.

Ferner kann der Unterhaltsbedarf des Kindes dadurch gemindert sein, dass der umgangsberechtigte Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt.“

Es geht meist um ein „Quasi-Wechselmodell“ bei dem der Umgang meist gerade unter 50% der Betreuungsdauer des Kindes liegt. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind bei räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt es nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes besonders an.

Bisher gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof: Solange das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei dem bisherigen Elternteil liegt, bleibt es bei seiner Befreiung nach § 1606 III 2 BGB und es ändert sich tatsächlich an der Barunterhaltspflicht nichts. Mit der Folge, dass der bisher barunterhaltspflichtige Elternteil auch bei hohem Betreuungsanteil allein barunterhaltspflichtig bleibt.

Diese Auffassung kann diesseits auf Dauer nicht geteilt werden. Auch aus meiner Sicht stellt sich die entscheidende Frage nach dem Kriterium der Bedürftigkeit des Kindes:

Wie sieht es da im Einzelfall aus?

Was benötigt das Kind an zusätzlichen Leistungen?

Wenn die Betreuungsleistung vom unterhaltspflichtigen Elternteil über einen erweiterten Umgang hinausgeht, ist der noch zu leistende Barunterhalt entsprechend zu reduzieren. So entschied schon das OLG Frankfurt in FamRZ 2006,439. Nur so kann es zu einer interessengerechten Lösung für beide Elternteile zum Wohle des Kindes kommen. Ohne dass der Unterhalt des Kindes gefährdet wird. So erlebe ich in der Praxis häufig, dass der eine Elternteil ständig Mehraufwendungen unternimmt, die eigentlich von seinen Unterhaltszahlungen gedeckt sein sollten. Oft wird die Situation des Umgangs zu Lasten des zahlenden Elternteils ausgenutzt. Häufig sind das Eltern, die es nicht mehr schaffen auf der Elternebene zu reden und so faire Lösungen zu finden, die dem Grund nach nur dem Kindeswohl dienen. Aber das wird eben aus persönlichen Gründen nicht gewollt oder gesehen. Der „Ehekrieg“ setzt sich auf diesem Weg letztlich über Jahre fort. Die Sinnhaftigkeit erschließt sich dem außenstehenden Betrachter nicht.

Das OLG Düsseldorf führt in seinem Beschluss vom 18.05.2015 – II-7 UF 10/15 dazu (auszugsweise) aus: „…Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (BGH FamRZ 2014, 917 Rn. 29). Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (BGH FamRZ 2015, 236, bei juris Rz. 20 ff.; FamRZ 2014, 917 Rn. 30 mwN)….“

Einzelfälle?! :Wenn ein Elternteil in geringem Umfang (hier 25%) ebenfalls betreut, kann er den Wert des von ihm geleisteten Naturalunterhalts abziehen, AG Mettmann in FamRZ 1999,44. Wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil das Kind zu 1/3 betreut, wird der geschuldete Barunterhalt teilweise durch die Betreuung des Kindes erfüllt.

Allerdings kann der vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu zahlende Unterhalt aber nicht einfach um 1/3 gekürzt werden, vielmehr sind nur solche Leistungen abziehbar, durch die konkret der Bedarf gemindert wird. Dass heißt nichts anders, als dass es unter Umständen dann doch nicht zu einem Abzug kommt (so der BGH in FamRZ 2006,1015 = NJW 2006,2258). Nach dem OLG Düsseldorf soll für die Übernahme der Verpflegung des Kindes 30 € täglich geschätzt werden (OLG Düsseldorf in FamRZ 2016,142). Das klingt zunächst ganz gut. Antworten wie es zu konkretisieren ist, werden aber nicht gegeben, da es immer auf den Einzelfall ankommt.

Beachte: Naturalleistungen wie Bekleidung und Verpflegung sind ggf. als Erfüllung anrechenbar (soweit sie über den üblichen Aufwand beim Umgang hinausgehen), nicht aber Wohnkosten (so BGH FamRZ 2007,707 /2 und BGH FamRZ 2014,917). Hier sollte genau darauf geachtet werden, welche konkreten Aufwendungen entstehen bzw. entstanden sind. Diese müssen dann auch noch im Einzelnen belegt werden. Nur so können solche konkreten Leistungen dann zum Abzug gebracht werden und zur Verringerung des zu zahlenden Barunterhalts an den anderen Elternteil führen.

Nach der bisherigen und ständigen Rechtsprechung deutscher Familiengerichte können Kosten für ein Kinderzimmer nicht angerechnet werden (so auch das OLG Düsseldorf in FamRZ 2016,142). Gerade die hier angesprochenen Elternteile, die sich besonderes engagieren, müssen das so hinnehmen.

Auch bei deutlich gesteigertem Umgang können dem Kind bzw. dem überwiegend betreuenden Elternteil Aufwendungen für Fahrten und Übernachtung bei Wahrung des Selbstbehalts grds. nicht als Erfüllung des Unterhalts entgegengehalten werden (so BGH in FamRZ 2014,917 ). Wenn das Kind nur den Mindestunterhalt (dazu) verlangt (also das sächliche Minimum), scheidet eine (teilweise) Erfüllung durch Betreuungsleistungen vom Barunterhaltspflichtigen Elternteil von vornherein aus, so der BGH in FamRZ 2015,236. Letztenendes wird es auch auf die tatsächliche Quote der Betreuungsdauer ankommen. Dabei sind die Anzahl der Übernachtungen besonders zu berücksichtigen. Nicht selten liegen diese Quoten bei gesteigerten Umgang bei 39 % zu 61 %. Die Rechtsprechung zieht zur Betrachtung einen 14-Tageszeitraum des Umgangs heran. Sie macht daran die Quote fest. Diese Quote ist dann im Einzelfall ausschlaggebend, ob es unterm Strich zu einer Verringerung der Barunterhaltszahlung kommt! Diese Herrabstufung wird sich in der Praxis wohl überwiegend innerhalb der Düsseldorfer Tabelle, wie oben aufgezeigt, abspielen.

Es bleibt also spannend – sollten Sie zu diesem Thema konkret professionelle Hilfe brauchen, sprechen Sie mich an!

Ihr KA

 

 

 

 

 

 

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