Wie lange muss nachehelicher Unterhalt bei einer Ehedauer von 10 Jahren gezahlt werden? Darüber hatte das Familiengericht am Amtsgericht in Weinheim Ende Dezember 2011 zu entscheiden. Die Entscheidung wurde dann Ende Januar 2012 bekannt. Sie ist bisher unveröffentlicht.
Nach der neuen Regelung des § 1578b BGB ist die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen worden, alle Unterhaltstatbestände zu beschränken. Dies geschieht entweder durch eine Herabsetzung des Unterhalts oder durch seine zeitliche Begrenzung. Eine Kombination von beiden Beschränkungsarten ist möglich.
§ 1578b BGB BGB lautet:
„§ 1578b Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
(1) 1Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. 2Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. 3Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
(2) 1Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. 2Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs können miteinander verbunden werden.“
Den Paragraphen habe ich deshalb zitiert, da er dem Wortlaut nach auch für den so genannten „Ottonormalverbraucher“ verständlich ist. Schwieriger ist es, diesen Paragraph bei seiner Anwendung durch die Familiengerichte in Deutschland zu verstehen. Eine einheitliche Rechtsprechung dazu gibt es nicht, da dies in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden muss.
Das wird insbesondere durch die Entscheidung des Amtsgerichts Weinheim aus dem Dezember 2011 deutlich, deren Sachverhalt ich wie folgt sehr abgekürzt darstelle:
Die Eheleute hatten Mitte 1999 geheiratet und sich Anfang 2009 getrennt. Die Ehefrau hat eine abgeschlossene Berufsausbildung und verfügt auch über Berufserfahrung. Das Gericht hat der Ehefrau ein im Vergleich zum Ehemann geringes Einkommen fiktiv angerechnet. Die Ehefrau war auch während der Ehe, die bereits ihre dritte Ehe war, teilweise beruflich tätig und hatte schon 3 Kinder, die nicht aus dieser Ehe stanmmten, aber auch während der überwiegenden Ehedauer im gemeinsamen Haushalt lebten. Der Ehemann, der im Außendienst tätig ist, hat überwiegend für das Familieneinkommen gesorgt. Die Eheleute haben ein gemeinsames eheliches Kind, das seit rund zwei ein halb Jahren beim Ehemann lebt. Für das Kind zahlte die Mutter keinen Kindesunterhalt. Während der Tennungszeit von drei Jahren zahlte der Ehemann Trennungsunterhalt an die Ehefrau als Aufstockungsunterhalt.
Die Entscheidung:
Einerseits sieht das Gericht, dass für die Ehefrau kein so genannter ehebedingter Nachteile vorhanden ist.
Leider muss ich auch kurz zum Verständnis auf den ehebedingten Nachteil eingehen und stelle diesen auszugsweise anhand der Gesetzesberündung dar:
„Die Leistungen der Ehegatten, die sie auf Grund ihrer vereinbarten Arbeitsteilung in der Ehe (Berufstätigkeit, Haushaltsarbeit, Kindererziehung) erbringen, sind gleichwertig, so dass sie grundsätzlich Anspruch auf „gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten“ haben. Dieser Teilhabeanspruch bestimmt in besonderer Weise auch die unterhaltsrechtliche Beziehung der Ehegatten (vgl. BVerfGE 105, 1), bedeutet aber nicht von vornherein eine „Lebensstandardgarantie“ im Sinne einer zeitlich unbegrenzten und in der Höhe nicht abänderbaren Teilhabe nach der Scheidung. Grund für die nachehelichen Unterhaltsansprüche ist die sich aus Art 6 GG rgebende fortwirkende Solidarität. Diese fortwirkende Verantwortung für den bedürftigen Partner erfordert vor allem einen Ausgleich der Nachteile , die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann. Diese Erwägung liegt insbesondere den Unterhaltstatbeständen des §1570 BGB (Betreuungsunterhalt), §1573 BGB (Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt) und § 1575 BGB (Ausbildungsunterhalt) zugrunde. “ Ehebedingte Nachteile „, die auf der Aufgabenverteilung in der Ehe beruhen, steigen wegen der zunehmenden persönlichen und sozialen Verflechtung typischerweise mit der Dauer der Ehe, so dass im Einzelfall eine lebenslange Unterhaltspflicht gerechtfertigt sein kann. Je geringer aber diese Nachteile sind, desto eher ist im Licht des Grundsatzes der Eigenverantwortung unter Billigkeitsgesichtspunkten eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs geboten, wobei in besonderer Weise auf die Wahrung der Belange eines vom Berechtigten betreuten gemeinschaftlichen Kindes zu achten ist.“
Andererseits betont das Gericht in seiner Begründung aber, dass die Ehe zehn Jahre angedauert hat und die Ehefrau sich während der Ehe um das gemeinsame Kind gekümmert hat. Die Parteien sind seit drei Jahren getrennt und das Gericht schied die Eheleute auch erst nach fast drei Jahren Trennung. Das verwundert insoweit, als dass man bisher als Hauptkriterium zur Begrenzung bzw. sogar auch für den Wegfall des Unterhalts den so genannten ehebedingten Nachteil in den Vordergrund gestellt hat. Der ehebedingte Nachteile hängt nämlich unmittelbar mit der Dauer einer Ehe zusammen. Infolgedessen hatte dann in der zweiten Stufe die Dauer der Ehe ein nicht so großes Gewicht gehabt.
Das AG Weinheim hatte entscheiden, dass der Ehemann der nach der Trennung das gemeinsame Kind betreuet, seiner geschiedenen Ehefrau 2 Jahre abgestuften nachehelichen Unterhalt, das heißt im ersten Jahr in voller Höhe und im zweiten Jahr in hälftiger Höhe zu zahlen hat.
Vor der Neuregelung gab es gar keine Möglichkeit einer tatsächlichen Unterhaltsbeschränkung für den nachehelichen Unterhalt. Mittlerweile wird aber das neue Recht stetig angewandt. Mittlerweile kann man nach den vorliegenden Entscheidungen der deutschen Familiengerichte in der Regel davon ausgehen, dass eine solche Unterhaltsbeschränkung für Ehen in einer Größenordnung von zehn Jahren gilt. Wobei das keine feste Grenze ist. Dies sind daher immer Einzelfallentscheidung, Abweichungen sind also die Regel.
Anhand dieser Entscheidung kann man auch deutlich das Dilemma innerhalb der anwaltlichen Beratung erkennen. Selbstverständlich möchten die Mandanten gerne wissen, wie es denn mit der Dauer des nachehelichen Unterhalts bestellt sein wird. Der Rechtsanwalt kann hier nur sehr abgeschwächte Prognosen abgeben, da er letzten Endes immer auf die Entscheidungen der Familiengerichte angewiesen ist. Sicherlich können diese Entscheidungen überprüft werden. Das sollte vorallem dann unternommen werden, wenn die Abweichung ekaltant sind.
Mein Tipp: Treffen Sie vor oder bei Eheschließung eine vertragliche Vereinbarung mindestens mit dem Ausschluss zum nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich. Das ist zeitgerecht, da die Gesellschaft sich so verändert hat, dass Frauen wie Männer gemeinsam im Berufsleben stehen. Das Bild der Ehe hat sich eben von der klassischen Aufteilung: „Ehefrau macht Kinder und Haushalt und Ehemann sorgt für das Familieneinkommen“ – gewandelt. Insofern bin ich immer dafür, dass Paare vor Eingehung einer Ehe sich einmal rechtlich über das Institut und die Folgen einer Ehe beraten lassen. Es bringt das ebenso mit sich, dass die Eheleute sich zu diesem Zeitpunkt noch lieben und bereit sind, die Folgen einer Ehescheidung durch einen Ehevertrag so abzumildern. Mir ist wohl bewusst, dass dies nicht das Allheilmittel ist, aber wer hat das schon!?
Ihr KA